Chemiedidaktik & Seminarwelt

Odyssey als "Superlupe"

Darstellung eines Oxonium-Ion-Modells

Experimente zeigen ein Phänomen. Man kann speziell in der Chemie also beobachten, dass Ausgangsstoffe verschwinden und neue Stoffe entstehen. Dass sich der Geruch verändert, die Farbe, dass Energie in Form von Wärme oder auch begleitet von einem lauten Knallgeräusch frei wird. Die „Ebene“ der kleinen Teilchen (Atome, Ionen, Moleküle) lässt sich aber nicht direkt beobachten, sondern nur modellhaft darstellen. Der Visualisierung von Strukturen mit Hilfe von Modellen kommt also eine überragende Bedeutung zu, wenn man die Chemie nicht nur auswendig lernen (Gleichung auswendig lernen?), sondern vielmehr verstehen möchte.
Hierzu kann man allerlei Wege gehen: Beispielhaft genannt sei Realmodelle mit Zell­stoff­kugeln zu bauen, passende Funktionsmodelle mit z.B. Magneten zu entwerfen oder auch computer­gestützte Modelle einsetzen.

Und genau bei der letztgenannten Variante gibt es einen neuen Ansatz aus dem „Land der unbegrenzten Möglichkeiten“: Ein Programm namens „Odyssey“, mit dessen Hilfe man Ionengitter- und Molekülstrukturen auf­bauen und anschließend Simulationen durchführen kann, wie sich diese Strukturen bei bestimmten Bedingungen (Druck, Temperatur, Lösungsmittel usw.) verhalten. Die Idee ist den Schülern und Lehrern sozusagen eine Art gigantisches Mikroskop zu geben, um am Computerbildschirm sehen zu können, was auf der molekularen Ebene passiert. Die Techniken der Computergraphik, die in den letzten etwa 25 Jahren entwickelt wurden, sind hierzu von entscheidener Bedeutung.

Darstellung einer Polaritätskarte

Man kann mit Odyssey Prozesse simulieren, indem die Software die fundamentalen physikalischen Prinzipien repräsentiert (in erster Linie Coolumb's Gesetz, sterische Wechselwirkungen, Newton's Gleichungen für die klassische Dynamik und die Schrödinger-Gleichung) und dann den Computer benutzt, um das sich ergebende gigantische numerische Problem zu lösen. Hierfür ist sowohl die Forschungserfahrung der letzten Jahre entscheidend als auch die Tatsache, dass inzwischen jeder für ein paar hundert Euro ein Gerät kaufen kann, dass mehrere Milliarden (!) von Rechenoperationen in jeder Sekunde (!) ausführen kann.

Für das Gymnasium Neubiberg haben wir seit 2017 durchgängig Lizenzen erwerben können und haben inzwischen auch einen guten Kontakt zum Programmverantwortlichen in Amerika, Herrn J. Schnitker, aufbauen können. Dieser reist immer wieder nach Deutschland, um auch am GN jeweils eine ganztägige und deutschlandweit über die GdCh ausgeschriebene Fortbildung durchzuführen.

Verglichen mit Programmen die – z.B. für die mit Phasenübergängen (fest-flüssig-gasförmig) einhergehenden – Strukturveränderungen „Cartoons“ benutzen, also jeweils mit Animationssoftware modellhafte Animationen/Filme erstellen, ist das Konzept das Bewegungsverhalten und die Strukturen von Teilchen zu errechnen ein völlig neuer Ansatz. Der bisher den Schulen nicht möglich war. In Odyssey wurde dies nun didaktisch „überbaut“, das heißt der Versuch unternommen, die graphischen Möglichkeiten zu nutzen und dennoch alles so kleinschrittig und verständlich aufzubauen und darzustellen, dass auch Unterstufenschüler mit der Software arbeiten können. Inzwischen liegt eine neue Version der Software vor, in der große Teile bereits in deutscher Übersetzung vorliegen. Ein weiterer Ausbau der Software erfolgt. Wir sind gespannt.